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Licht und Schatten in Rumänien


Basstler
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Vorwarnung: ist doch was länger und erzählerischer geworden. Fazit ganz am Ende.

 

Der Vorschlag kam wie aus dem Nichts: lass uns nach Rumänien, Motorradfahren. Transfaragarasan - die beste Straße der Welt. Okay... ich wusste ja das ich einen bescheuerten besten Freund hab, aber so?! Vielleicht hat er auch recht. Neugier war geweckt. 
 
Schon die Suche nach Mietmotorrädern gestaltete sich dann eher kompliziert: wenige Anbieter, fehlende oder unklare Angaben zur Versicherung und Inklusiv-Kilometern, lange Email-Umlaufzeiten. Nach einigem hin und her machte uns bike2rent.ro ein vernünftiges Angebot um die 400€ je GS (einmal 800, einmal 1200) für 5 Tage, 300€ SB VK. 
 
Bucharest als Startpunkt ist offen gesagt keine Reise Wert. Großstadt mit Ostblockcharme - kann man mögen muss man aber nicht.
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Ceausecus riesiger Palast ist die Attraction der Stadt
 
Die Abholung der Maschinen gestaltete sich abenteuerlich. An der angegebenen Adresse nur ein geschlossener Motorrad-Teile Laden ohne Hinweis auf die Vermietung. Durch ein Telefonat wurde klar: Feiertag, der Vermieter käme aber in 45'. Ok. Na dann. Letztlich wurden wir zu einem Hinterhof chauffiert- zum "BMW Händler". War wohl kein offizieller ? andere Länder, ...
Die Maschinen machten einen gut gebrauchten aber technisch soliden Eindruck.
 
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Die GSen, angemessen aber echt nicht mein Ding 
 
Papiere und Zustand-dokumentierende Fotos später waren wir auf dem Weg nach Pitesti, dem Zwischenstopp zur Transfaragarasan. Pitesti ist eine Mittelstadt die ihre sozialistischen Wurzeln nicht verhehlen kann. Zum Schlafen aber ok.
 
Die transfaragarische Hochstraße beginnt als profane Landstraße. Mit zunehmender Distanz wird die Gegend immer ländlicher. Unzählige Bauern verkaufen Melonen und anderes Obst am Straßenrand. Dann beginnt sich die Straße langsam durch bewaldete Hügel zu winden und über die nächsten 10-20km wird sie sukzessive schmaler und kurviger. Es dauert eine Weile bis es wirklich steil und kurvig bergauf geht. Leider ist die Straße auch bei Touristen in Autos äußerst beliebt - deren Fahrkunst teilweise wirklich nur als laienhaft zu bezeichnen ist. Plötzliche Ausweichmanöver sind eher die Regel als Ausnahme. Die Transfaragarasan macht aber ihrem
Ruf als "Straße in den Wolken" jede Ehre, ruhig zugezogen liegen Nebel über feinsten Radien. Wirklich ein Highlight! Fahrerisch nicht anspruchslos aber auch kein "Killer". 
 
Wieder aus dem Gebiege abgestiegen ist es unfassbar heiss auf dem Weg nach Sibiu, der "schönsten Stadt Rumäniens". Das ist wohlgemerkt ein Zitat eines Rumänen und aus meiner Sicht weniger Kompliment für die Mittelalterliche Stadt als eher Statement zum Zustand des Rest des Landes. 
 
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Wir übernachten in einem kleinen Dorf unweit von Sibiu in der Pension Albota. Rustikaler Charme, saubere Zimmer und faire Preise. Aber Achtung die Besitzerin steht auf deutschen Schlager. 
Der Weg zur Pension ist wieder ein Highlight und macht richtig Laune. Die GS und ich werden aber keine Freunde mehr. Zu undefiniert und zu künstlich fühlt sich die Gummikuh an. Apropos Kuh: auf den Straßen im ländlichen Rumänien kann jederzeit jede Art von Tieren auftauchen: Hunde, Pferde oder auch eine Horde Kühe die seelenruhig die Straße nutzen und auch gern mal die Mülltonnen an Rastplätzen plündern. 
 
Am nächsten Tag wollen wir tiefer ins Gebirge, folgen der Hausstrecke 105 gen Westen. Nach einer Kurve wird das feine Asphaltband unvermittelt zur Schotterstraße. Nach ein paar Minuten zum schlechten Weg. "Fahren wir weiter?!" - ihr kennt die Antwort. Ich sammle hier meine ersten Off-road Erfahrungen. Immer tiefer im Wald wird die 105 steil, es wird ein steiniger Weg - nicht mal mehr von den sonst so universellen Dacias zu befahren. Die dicke GS bringt mich mächtig ins Schwitzen. Mehr als einmal bricht das Vorderrad leicht weg. Ich habe mehr Glück als Talent und bleibe oben. Zu meiner Begeisterung ist nach knapp 10km Schluss. Die 105 endet entgegen der Karte unvermittelt an einem Haus. Umkehren. Wunderbar. 
 
Wir entscheiden uns über eine Hauptstraße zu fahren um doch noch Richtung Obarsia Lotrolui zu kommen. Die Hauptstraße erweist sich als Haupt-Transit Strecke. Naja, man kann immerhin überholen und kommt so trotz der unzähligen LKW voran. Der Abzweig bei Brezoi erweist sich als Glücksgriff. Vor uns liegen 80km verlassene Bergstraße. Zahlreiche Imker lassen hier ihre Völker Karpatenhonig sammeln. Die Straße ist mal gewunden, mal sanft. Der Asphalt ebenso Abwechslungsreich. So habe ich auch einen üblen Rutscher in einer Linkskehre. Es bleibt beim Schreck. 
Nach besagten 80km wartet an der Kreuzung auf die Transalpina eine Gaststätte mit Kaffee und Crêpes. Ein wunderbarer Stopp. Angesichts der Uhrzeit nehmen wir die Transalpina in nördliche Richtung. Wieder stehen 80km bestes Winkelwerk an. Herrlich. Nach etwa der Hälfte der Strecke tauchen vor mir zwei österreichische Motorradfahrer auf. Der Goldwing Pilot operiert offenbar ziemlich am Limit, der Verfolger auf einer Japanerin fährt eine miserable Linie. Während des Schauspiels vor mir vergesse ich für ein paar Kurven den Blick in den Rückspiegel... wo ist mein Freund auf einmal?! Ich fahre ran. Warte ein paar Sekunden. Mmh das kann nichts gutes bedeuten.
 
Ich drehe um und finde ihn in Gesellschafft von drei spitzen Moppedkumpels aus Polen. Die haben ihn aus dem Gebüsch geholt und seine Maschine aufgerichtet. Ihm geht's gut. Durchatmen. Nochmal vergewissern das er ok ist. Wasser trinken. Maschine checken. Scheint ok auf den ersten Blick. Der Seitenkoffer hat wohl das schlimmste verhindert. Der Lenker scheint etwas angeschlagen aber fahrbar. Wir sind trotzdem bedient. Sein Vorderrad war einfach weggerutscht - kurioserweise am Kurvenausgang. Unklar warum. Abends in der Pension inspizieren wir nochmal die Maschine und finden eine angerissene obere Gabelbrücke. Weiterfahren möglich?! Schwer zu sagen. Er telefoniert mit dem Vermieter. Man einigt sich darauf das wir versuchen nach Bucharest zurückzufahren. Dort will der Vermieter inspizieren und ggf. das Motorrad Tauschen. Ich bin nicht begeistert aber gebe mich geschlagen. Muss er wissen denk ich mir. Naja. 
 
Der Rückweg führt wieder über die Transitroute. Nach einiger Zeit bildet sich ein Elend langer Stau, wir mogeln uns vorsichtig Kilometer weit vorbei bis wir an der Ursache angekommen sind. Ein Laster mit Gasflaschen ist mit einem Geländewagen kollidiert. Dieser ist völlig zerstört, der LKW steht quer auf den Fahrbahnen, der Diesel ist ausgelaufen.
 
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Erste pragmatische Versuche den LKW wegzuschieben scheitern. Es dauert eine Stunde bis ein Abschlepper da ist. Dieser wählt jedoch eine äußerst fragliche Strategie und zieht den Anhänger noch weiter quer zur Fahrbahn. Mit wird das zu bunt - "wir fahren jetzt". Muss ja eine Umgehung geben. Stimmt - jedoch wird diese nach wenigen Kilometern zur Schotterpiste. "Wollen wir weiter?!" Ihr kennt die Antwort ? es folgen weitere 15 (!) km Schotterpiste die jeder Griechenland-Rallye zur Ehre gebührt hätten. Mein Freund fährt schritt. Ich versuche bei 35 Grad in der Mittagssonne einfach nur die fette GS aufrecht zu halten.
 
Ungefähr hier denke ich: "Liebes Rumänien, ich gebe auf. Ich habe dich unterschätzt. Du gewinnst. Lass mich einfach nach Bucharest und wir sind quitt, ok?!"...
Der Rest ist schnell erzählt: der Vermieter macht Mega den Aufriss, ob wir unsere Kaution wiederbekommen bleibt etwas fraglich. Im Zweifel muss meine Rechtsschutzversicherung ran. Wir buchen die nächsten Flüge nach Hause. 
 
Fazit: Bike2Rent.ro möchte ich hier ausdrücklich nicht empfehlen. Zumindest bis wir die Kaution (ich voll, er minus SB) wiederbekommen haben. Ich kenne aber auch keine bessere Alternative. 
Rumänien wird seinem Ruf als abenteuerlichem aber lohnenswertem Ziel gerecht. Wer den Aufwand und das Risiko nicht scheut wird sicher seine Freude haben. 
Bearbeitet von Basstler
Erste Fotos, rest wird nachgereicht
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Sehr schön Erzählung...

 ich habe das 2014 mit dem eigenen Allrad gemacht und war neben den Karpaten und der Donau entlang auch am schwarzen Meer. Bis auf die reinen Touristenorte am Meer habe ich nur gute Erinnerungen. Ich hatte mir querfeldein die Dieselleitung beschädigt. Die Leute auf dem Land haben mit ohne viel Aufsehen und viel Improvisationstalent bestens geholfen...

Bitte Bilder?

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Habe trotz Vorwarnung ohne Pause zuende gelesen.  Ein wirklich schöner Bericht.  Hört sich sehr nach Abenteuergarantie an. Vorsichtshalber sollte man für einen Rumänientrip im Vorwege wohl besser die Urlaubspläne seines Schutzengels :angel: checken. Der muss bei Euch in den paar Tagen ja Schwerstarbeit verrichtet haben.

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Freue mich über eure positive Rückmeldungen.

vor 19 Minuten schrieb Nils:

Danke für den schönen Bericht, wahrscheinlich wären leiche Enduros dort besser geeignet als ein BMW 1200-Dickschiff...:)

Ja, eine F800 GS oder etwas kleineres wäre sicher für mich ausreichend gewesen. Vielleicht wäre es schlau gewesen sich einfach vor Ort irgendwelche Möhren zu kaufen?!?

Ich wollte halt mal ne echte GS fahren. Will ich jetzt nicht mehr ??

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vor 1 Stunde schrieb Basstler:

Ich wollte halt mal ne echte GS fahren. Will ich jetzt nicht mehr ??

Die Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken; sie beleuchtet stets nur das Stück Weg das wir bereits hinter uns haben. (Konfuzius) :black_eyed:

Bearbeitet von Monstercavaliere
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Klaus,

es freut mich immens, einen Mit-Denker in Dir zu erkennen. 9_9

Wenn ich mich vielleicht mit einem ähnlich tiefgründigen Zitat revanchieren darf:

Zitat

Nachwort des Autors
Zehn Jahre nach Erscheinen der ersten amerikanischen Ausgabe

In diesem Buch ist viel von der Perspektive der alten Griechen und ihrer Bedeutung die Rede, aber eine Perspektive bleibt unberücksichtigt – ihr Zeitbegriff. Sie sahen die Zukunft als etwas, das von hinten über sie kam, während die Vergangenheit vor ihren Augen in die Ferne entschwand.

Wenn man es sich überlegt, ist das eine genauere Metapher als unsere jetzige. Denn wer kann wirklich in die Zukunft sehen? Man kann nichts weiter tun, als die Vergangenheit in die Zukunft zu projizieren, wenngleich die Vergangenheit zeigt, daß solche Projektionen oft falsch sind. Und wer kann wirklich die Vergangenheit vergessen? Was kennen wir sonst?

Zehn Jahre nach dem Erscheinen von Zen and the Art of Motorcycle Maintenance ist es sicherlich angebracht, die Perspektive der alten Griechen zu übernehmen. Was für eine Zukunft von hinten kommt, weiß ich nicht. Aber die vor mir ausgebreitete Vergangenheit beherrscht das ganze Blickfeld.

Quelle. Aus dem Nachwort des Autors Robert M. Pirsig zu "Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten", zehn Jahre nach dem Erscheinen der ersten amerikanischen Ausgabe. 

Wen das jetzt nicht zum Nachdenken anregt, bei dem/denen entschuldige ich mich für das OT.

Bearbeitet von Gast
Der "middle name" von Herrn Pirsig beginnt natürlich mit einem "M".
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Chris,

zu meiner Schande muss ich gestehen, unseren Freund Pirsig bisher nicht gekannt zu haben.  Ich habe aber schon erste Recherchen eingeleitet (Wikipedia ist in solchen Fällen sehr hilfreich) und festgestellt, dass der Mann es faustdick hinter den Ohren hatte. Sich mal so eben mit Platon und Aristoteles anzulegen, zeugt schon von gesundem Selbstbewusstsein und einem kritischen Geist. Jetzt müssten wir aber die Kurve zu "Licht und Schatten in Rumänien" bekommen, die uns Basstler so eindrucksvoll dargestellt hat, sonst läuft uns das Thema an dieser Stelle aus dem Ruder.  

Zum Glück bietet das Forum ja reichlich Gelegenheit an anderer Stelle sich des (Mit-)Denkens anzunehmen und sich der Kunst, eine Ducati zu warten, anzunähern :)

 

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vor 21 Stunden schrieb Basstler:

Ich wollte halt mal ne echte GS fahren. Will ich jetzt nicht mehr ??

Kann ich nachvollziehen... :)

Vor 2 Jahren hab ich auch eine 1200 GS probegefahren, sah schick aus mit rotem Rahmen und in weiß.

Fuhr unspektakulär und alles funktionierte auf Landstraße so, wie man es bei BMW erwartet, der hohe, breite Lenker war beeindruckend.

Aber ich fand es langweilig, nix mit Herzklopfen so wie bei der Duc und nach der Probefahrt wusste ich, dass BMW irgendwie nicht passt. 9_9

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